Brillen für Bedürftige

„Ab ca. sieben Dioptrien bekommt man keine günstige Brille mehr für 15 Euro“, erklärt Andreas Bröcher von der Vinzenz-Konferenz Bremen. „Wer die Kosten für die Sehhilfe nicht bezahlen kann, muss bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Beihilfe stellen. Dieser wird aber in der Regel abgelehnt. Dann bleibt nur der Weg zum Sozialamt, das den Antrag entweder ablehnt oder den Betrag als Darlehen gewährt. Doch wer nimmt schon ein Darlehen auf, wenn er weiß, dass er das Geld sowieso nicht in absehbarer Zeit zurückzahlen kann.“ Damit auch einkommensschwache und bedürftige Mitmenschen nicht auf gutes Sehen verzichten müssen, hat die Vinzenz-Konferenz im Erzbistum Paderborn und später die Vinzenz-Konferenz Bremen die Initiative ‚Durchblick behalten’ gestartet.

 

Brillenaktion der Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum, Paderborn

ln Deutschland tragen ca. 40 Millionen Menschen eine Brille. Wer sich eine Brille kauft, weiß, was da finanziell auf ihn zukommt.
Für gesetzlich Krankenversicherte sieht § 33 SGB V eine Versorgung mit Sehhilfen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vor. Danach besteht Anspruch auf eine Sehhilfe nur, wenn die Sehschwäche auf beiden Augen so gravierend ist, dass der Betroffene selbst auf dem besser sehenden Auge mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. Der Anspruch erstreckt sich übrigens auch für die o.g. Personenkreise nicht auf die Kosten des Brillengestells, sondern nur auf die Gläser. Einzelheiten zur Verordnungsfähigkeit von Sehhilfen regeln dann die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Brillen-für-Bedürftige-eine-Initiative-der-Vinzenz-gemeinschaft-(9)D.h., Brillengestell und Brillengläser müssen die meisten Menschen, die gesetzlich krankenversichert sind, aus eigener Tasche bezahlen. Glücklich diejenigen, die über eine Beihilfeberechtigung oder eine private Zusatzversicherung verfügen und so eine finanzielle Unterstützung beim Brillenkauf erfahren. Glücklich auch diejenigen, die Mitglied in einer der wenigen gesetzlichen Krankenkassen sind, die in ihrer Satzung eine eingeschränkte Bezuschussung vorsehen.
Nun ist es für viele Menschen auch gar kein großes Problem, sich den Kauf einer Brille zu leisten. Belastend oder gar unmöglich ist die Anschaffung einer Brille allerdings für die Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. „Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen kann nicht über die gesetzliche Krankenversicherung erfolgen. Dieses Problem müsste über das Sozialgesetzbuch II erfolgen“, meint der gesundheitspolitische Sprecher einer Regierungspartei. Im SGB II sind die Leistungsansprüche für Bezieher/innen von Arbeitslosengeld II geregelt. Hier wird dann argumentiert, dass in den Regelleistungen bereits ein Betrag für Brillen monatlich vorgesehen sei (ca. 3 € monatlich!). D.h. aus dieser Regelleistung soll der ALG II – Bezieher seine Brille ansparen. Das ist schlicht unrealistisch. Also kann ihm nach Ermessen des Jobcenters ein Darlehn zum Kauf einer Brille eingeräumt werden. Das Darlehn müsste dann in den Folgemonaten mit Teilbeträgen getilgt werden. Mit diesen Raten reduziert sich dann aber der monatliche geringe Geldbetrag aus dem ALG II dann nochmal. Das Darlehn scheidet damit als ernsthaftes Instrument, sich eine Brille zu finanzieren, aus. Berücksichtigt ist noch nicht, dass es auch viele Menschen gibt, die über dem Bedarf für ALG II liegen, deren Einkommen dennoch so gering ist, dass für sie eine Brille unerschwinglich ist.

Vinzenz-Konferenzen leisten aktive Hilfe

Brillen für Bedürftige eine Initiative der Vinzenz GemeinschaftWie so oft, wenn die Politik nicht entscheidet, aber im Einzelfall Not gelindert werden muss, wendet sich ein Bedürftiger an die Freie Wohlfahrtspflege. Die Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn gewähren mit Unterstützung der Vinzentinischen Stiftung (seit 2012) und dem Sonderfonds für armutsorientierte Projekte des Erzbischofs von Paderborn (seit 2015) in Einzelfällen Zuschüsse für Menschen mit geringem Einkommen. Der Kauf von über 400 Brillen konnte so schon ermöglicht werden. Das bleibt natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Matthias Krieg, Diözesanreferent